Die wahre Geschichte von Anton Soja - gebundenes Buch

Die wahre Geschichte
vom traurigen Clown Federico, von der wunderschönen Hexe Nadira aus Lüneburg und dem grässlichen Rumpelstilzchen, Wunderhaus 1
ISBN/EAN:  9783963720529
Sprache: Deutsch
Umfang: 120 S.
Einband: gebundenes Buch
Auch erhältlich als:
Ein schräges modernes Märchen voller schwarzen Humor a la Tim Burton über die Liebe zweier Teenager in einer verrückten Welt. Warum bist du so allein? Bist du besonders oder einfach nur ein Freak? Sogar einer mit der roten Kartoffelnase kann eine andere einsame Seele treffen. Und das ist ja kein Problem, dass sie alle für eine Hexe halten. Und was fängt da an? Na, richtige Abenteuer von einem Menschenwurm, Schneewittchen, einem kriminellen Mammut und dem im Grab schlafenden Zauberzwerg Rumpelstilzchen. Dieser abenteuerliche Jugendroman, so unvorhersehbar wie rasant, voller Humor und überraschender Ideen, macht Lust auf Abenteuer, Zirkus und aufs Verlieben.
Der vielseitige Erzähler Wilhelm Hauff wurde am 29. November 1802 in Stuttgart geboren. Er studierte zunächst Theologie und Philosophie in Tübingen, arbeitete dann als Hauslehrer und schließlich als Redakteur von Cottas Morgenblatt. Seinen größten literarischen Erfolg erzielte Hauff mit dem Buch Lichtenstein (1826), mit dem er den historischen Roman in Deutschland begründete. Wirklich bekannt aber wurde er durch seine Märchen, die in drei Almanachen 1826, 1827 und 1828 erschienen, und durch seine Lieder, die sich zu Volksliedern entwickelten. In seinen Erzählungen verbindet Hauff romantisch-phantastische Elemente mit realistischen und zeitkritischen sowie satirischen Zügen. Es ging ihm allerdings nicht nur darum, seine Zeit kritisch zu beleuchten, sondern er wollte seine Leser auch unterhalten. Der Dichter starb - erst 24jährig - am 18. November 1827 in seiner Heimatstadt.
Manege frei! Oder: Hereinspaziert zur traurigsten Vorstellung der Welt. »Es war einmal ein fröhlicher Clownjunge, den seine lieben Eltern Fred genannt hatten.« So würde unsere Erzählung beginnen, wenn sie ein Märchen wäre. Aber dies ist eine völlig wahre Geschichte. Und sie beginnt so: Fred so hatte sich der kleine Clown selbst genannt. Eigentlich hieß er ja Federico, nach seinem Urgroßvater, einem echten Menschenfresser, der die Zirkusdynastie der Rafinellis begründet hatte. Aber der Junge bestand darauf, dass alle ihn einfach Fred nannten. So hatte nämlich sein erster Freund geheißen, der früher bei ihnen im Zirkus Dompteur gewesen war. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern, den WolkowBrüdern, und anders, als es sein Spitzname BärenfresserFred vermuten ließ, war er ein sehr gutmütiger Mann gewesen. Doch das Leben drehte den Spieß grausam um: Am Ende bissen die Bären ihn und zwar tot. Seit diesem Vorfall hielt sich der Zirkus nur noch pflan­zenfressende Raubtiere, und der Einzige, der die Mitarbeiter beißen durfte, war der Zirkusdirektor. Dem kleinen Clown ging der Verlust seines Freundes sehr nahe, und so nahm er Freds Namen an und nannte sich nur noch in der Manege Federico. Gut möglich, dass die Ereignisse, von denen ich hier erzählen will, ohne diese Namensänderung gar nicht passiert wären. Denn schließlich weiß jedes Kind, welche Bedeutung ein Name hat, und dass jeder, der ihn eigenmächtig ändert, damit un­weigerlich auch sein Schicksal vor eine schwierige Wahl stellt. Heute war Freds alias Federicos fünfzehnter Geburtstag. Frühmorgens erreichte ihre Zirkuskarawane Lüneburg und passierte das römische, mittlerweile ziemlich verfallene Stadttor. Wie durch ein Wunder hatte die Salzstadt beide Weltkriege unbeschadet überstanden und ihr mittelalterliches Antlitz bewahrt. Sie fuhren durch enge Kopf­stein­pflastergassen, vorbei an schiefen Fachwerkhäusern mit Wetterhähnen auf den ausge­bleichten Ziegeldächern, vorbei an gotischen Kirchen, die von der Zeit schwarz geworden waren, und vorbei an einem Mühlrad, durch das ein kleiner Bach rauschte. Schließlich gelangten sie auf den großen Marktplatz am Rathaus, wo ein alter Uhrenturm mit Zinnen stand. Dort bauten die Artisten nun das Zirkuszelt auf, das schon bessere Tage gesehen hatte und an vielen Stellen geflickt war. Die Bewohner des Städtchens schlummerten noch friedlich, während sich draußen der Nebel rasch verflüchtigte. Auch wenn er heute Geburtstag hatte, arbeitete Fred genauso hart wie alle anderen. Auf seinem Kopf flatterte eine nigelnagelneue lila Perücke im Takt der morgendlichen Windstöße. Als er heute Morgen lustlos aufgestanden war, hatte er sie auf dem Hocker neben seinem Bett entdeckt. Die achte Perücke in seiner Sammlung - seine Eltern hatten sich nicht lange den Kopf zerbrochen, was sie ihm schenken könnten. Aber heute Abend nach der Vorstellung würden ihm bestimmt die anderen Artisten gratulieren, und sicherlich würden sie sich für ihren Liebling etwas Originelleres einfallen lassen. Der kleine Clown war wegen seiner Liebenswürdigkeit und Zuverlässigkeit im ganzen Zirkus beliebt. Alle hatten ihn gern und bemitleideten ihn, denn als Stammhalter der Rafinelli-Dynastie bekam er von seinen Eltern, den Zirkusdirektoren Bim und Bom, mehr ab als die anderen. Aber ehrlich gesagt, bekamen sie alle ganz ordentlich was ab. Auch jetzt fläzten sich die beiden riesenhaften Zirkusdirektoren, beide mit Bart und Dickwanst, in ihren Liegestühlen und schrien die Artisten an, die dabei waren, schnaufend die Plane über das Zelt zu ziehen. Oh ja, ihr habt ganz richtig gehört - beide mit Bart! Freds Mama war nämlich niemand anders als Bim, die weltberühmte Starke Frau mit Bart. Sie trieb nicht nur als Clownin ihre Scherze in der Manege, sondern jonglierte auch noch mühelos mit zentnerschweren Gewichten und pfiff dazu ihre Lieblingsarien von Wagner. Sie war so stark, dass sie mit bloßen Händen den Zirkuselefanten Mammut hochheben konnte, der vom Rüssel bis zur Schwanzspitze bunt tätowiert war. Man munkelte, der Elefant habe eine dunkle Vergangenheit: Freds Vater, der Zirkusdirektor und Clown Bom Rafinelli, hatte ihn einst aus dem Elefantengefängnis von Dschaipur freigekauft, wo Mammut für etliche dreiste Raubüberfälle eine Haftstrafe absaß. In jugendlichem Leichtsinn hatte sich der Elefant einst mit bösen Jungs aus Mumbai eingelassen, knallharten Sikhs, die ihre bodenlangen, niemals geschnittenen Haare unter Turbanen verbargen und Mammuts mächtigen Schädel mit den abgebrochenen Stoßzähnen als Rammbock verwendeten, um die dünnen Wände indischer Banken zu Kleinholz zu machen. Mammut war der wohl einzige böse Elefant auf der Welt (da machte sich seine kriminelle Vergangenheit bemerkbar), doch selbst er war netter zu Fred als Bim und Bom. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und trotz alledem liebte Fred seine Eltern. Jeder andere Sohn wäre vor solchen Monstern längst davongelaufen, so weit er nur konnte. Er aber arbeitete weiterhin für sie als Purzelclown. Ganz genau, ihr habt richtig gehört: Purzelclown - denn er besaß ein ausgeprägtes Talent zum drolligen Hinfallen. Warum finden die Leute es eigentlich komisch, wenn jemand plötzlich hinfällt und Au! schreit, weil er sich das Knie oder Steißbein wehgetan hat? Das ist überhaupt nicht komisch, sondern schmerzhaft und unangenehm. Und tut gleich doppelt weh, wenn die anderen dann noch darüber lachen. Fred zermarterte sich schon sein ganzes Leben lang den Kopf über diese Frage. Genauer gesagt, seit er das erste Mal hingefallen war. Dieses denkwürdige Ereignis geschah laut Bim und Bom folgendermaßen: Die anständigen Eltern zogen ihn aus seinem Babybettchen und stellten ihn auf die Füße. Dabei konnte Fred damals weder laufen noch stehen. Deshalb kippte er um, wie er stand, platt aufs Gesicht und mit der Nase voran auf den Boden. Der kleine Fred heulte los, und seine Eltern mussten so sehr lachen, dass sie ebenfalls umfielen und sich neben ihrem Sohn auf dem Boden wälzten. Dabei brüllten sie vor Lachen. Was für ein Clown!, schrie Bom und hielt sich den dicken Wanst. Ist der komisch! Genau wie du, wieherte Bim. Noch komischer, begeisterte sich Bom, guck mal seine Nase an! Da sparen wir uns glatt die Schminke! Das wird der beste Clown der Welt. Ein richtiger Purzelclown! Den Eltern liefen vor Lachen Tränenbäche aus den Augen. Fred weinte auch, allerdings vor Schmerz und Wut. Von dem Aufprall schwoll seine Nase an, wurde rot und blieb für den Rest seines Lebens eine runde rote Tomate. Das ulkige Hinfallen aber wurde mit der Zeit zu seinem Beruf. Niemand sonst auf der Welt kann so herrlich purzeln wie unser Federico. Er ist wie geschaffen für den Zirkus, pflegten seine Eltern voller Stolz zu sagen und dachten sich immer neue Arten aus, wie ihr Sohnemann noch raffinierter hinfallen könnte. Sie stellten ihm ein Bein, schubsten und erschreckten ihn, zogen ihm den Teppich unter den Füßen weg, hoben Gruben aus, ließen ihm Katzen und Hunde zwischen die Füße laufen und spannten heimlich Schnüre über seinen Weg. Und Fred fiel, fiel und fiel. Er brüllte vor Schmerz, schimpfte und tobte. Doch seine Eltern gaben nicht auf, denn das dankbare Publikum lachte jedes Mal aus vollem Hals, wenn Fred in der Manege zu Boden ging. Wenigstens war der Boden dort mit Sägespänen bestreut, sodass es nicht ganz so wehtat wie bei seinen Stürzen zu Hause oder anderswo. Seine Eltern ließen nämlich netterweise keine Gelegenheit aus, um mit ihrem Sohn die komischsten Arten hinzufallen zu trainieren. Es war schon ein schweres Los, einen Wunderknaben zum Sohn zu haben, keine Minute hatte man Ruh - da hieß es üben, üben, üben. Nur nicht seinen Gefühlen nachgeben, man musste ja schließlich in Form bleiben. Schwupp, klatsch, plumps! Im Übrigen purzelte und fiel Fred auch ohne elterliche Fürsorge (wohl aus lauter Gewohnheit) ständig an den denkbar ungeeignetsten Stellen und brach sich dabei oft einen Arm oder ein Bein. Ironischerweise waren das die glücklichsten T...
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