Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Intervention in Beratung und Therapie von Gisela Hötker-Ponath - Taschenbuch

Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Intervention in Beratung und Therapie
Leben Lernen 223
ISBN/EAN:  9783608892376
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S.
Einband: kartoniertes Buch
Gisela Hötker-Ponath, Diplom-Sozialpädagogin, ist Paar- und Familientherapeutin, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin und Supervisorin; weitere Ausbildungen in Körperpsychotherapie und Imaginationsbegleitung. Frau Hötker-Ponath ist in eigener Praxis in Eichenau bei München tätig. Sie hat zudem langjährige Erfahrung in einer psychologischen Beratungsstelle. Weitere Infos unter www.netzwerk-paartherapie.de
Vorwort Die Idee zu diesem Buch entstand aus einer Suche nach einem umfassenden Fachbuch zum Thema ›Trennungs- und Scheidungsberatung‹. Das gesuchte Buch sollte theoretisch fundiert und praxisnah sein und das Familien- und Gruppensetting mit einschließen. Meine Recherche blieb unzureichend, da ich die gefundenen Exemplare entweder zu theoretisch oder zu ›praktisch‹ in Richtung Ratgeber empfand. Während meiner Suche entwickelte sich in mir die Idee, dass ich das, was ich suche, bereits in mir tragen könnte. So entstand aus meiner Suche eine Idee, aus der Idee ein Vorhaben und aus dem Vorhaben dieses Buch. Es beinhaltet theoretisches Grundwissen zum Thema Trennung und Scheidung und Beispiele aus der praktischen Arbeit mit Einzelnen, Paaren, Familien und Gruppen. Was kann ich als Beraterin/Therapeutin konkret tun? Diese Frage wird durch zahlreiche dargestellte Interventionen beantwortet. Sie dienen als Anregung für die Praxis und können situationsangemessen oder kreativ verändert eingesetzt werden. Unzertrennlich sind: Mutter und Kind, solange das Kind noch im Bauch ist.Vater und Kind,sobald ihre Beziehung geglückt ist.Gertrud und Wilhelm,weil Gertrud nicht loslässt.Körper und Seele,ein Menschenleben lang. Enge Bande lassen sich nur unter Verlusten trennen. Eleni Adamidu 1. Einführung 'Trennung ist beides: Sie ist ein Verhängnis, ein unfaires Schicksal, gegen das wir vital aufbegehren oder in das wir uns apathisch ergeben. Und sie ist eine Lebensregel, ein kreatorisches Prinzip, eine Bedingung für Wachstum, Entfaltung und Reife' (Schultz 1984, S. 9). Die Urerfahrungen von Trennung sind Geburt und Tod. Im Verlauf seines Lebens wird der Mensch mit weiteren unvermeidbaren Trennungserfahrungen konfrontiert. So gelten auch Trennung und Scheidung im Leben vieler Menschen als ein bereits erlebtes oder ›mitgedachtes‹ Lebensereignis. Gehen wir heutzutage von der Ehe als Liebesgemeinschaft aus, liegt der Schluss nahe, dass die Auflösung einer Ehe zu einer seelischen Krise führt, dessen Intensität mit der Bedeutung der gefühlsmäßigen Bindung zusammenhängt. 'Das Abbrechen einer Beziehung, ohne dass der Partner stirbt, kann ähnliche Verzweiflung auslösen, kann ähnlich unser Selbsterleben erschüttern wie der reale Tod' (Kast 1982, S. 142). Deswegen spricht man bei Trennung und Scheidung auch von einem kritischen Lebensereignis. Scheidung basiert auf Entscheidungen. Das griechische Wort für Entscheidung bedeutet ›Krisis‹. Krisen sind somit Entscheidungszeiten, die genutzt oder vertan werden können - so wie in jeder Paarbeziehung. Duss-von Wert (1984) weist darauf hin, dass sich Paare auch deswegen trennen, weil fällige Entscheidungen (innere Scheidungen), das heißt notwendige Veränderungen während der Ehe, nicht passiert sind. Eine Trennung ist gut und schlimm zugleich - Lebenskrise und Entwicklungschance. Trennung hat immer etwas mit Enttäuschung, Scheitern und Schuld, aber auch mit Selbstfürsorge, Veränderungssehnsucht und Risikobereitschaft zu tun. Jellouschek (2006) meint, dass Trennung nicht unbedingt ein Scheitern, sondern das Ergebnis sehr unterschiedlicher Entwicklung ist und die Beziehung dann aufgegeben werden muss. Trennungsgründe gibt es viele: Bindungsängste, enttäuschte oder zu hohe Beziehungserwartungen, einschneidende Kränkungserlebnisse (die nicht verzeih oder bearbeitbar waren), dauerhafter ungelöster Alltagsstress, fehlende gegenseitige Unterstützung, zu unterschiedliche Wertvorstellungen, länger anhaltende sexuelle Probleme, Vertrauensbrüche, aufgedeckte und nicht aufgedeckte Außenbeziehungen, ungelöste Bindungen zu den eigenen Eltern, schwere Erkrankungen oder Schicksalsschläge, mangelhafte Kommunikation, psychische oder körperliche Gewalt, Sucht, Entfremdung, zu viel Nähe oder zu viel Distanz, mangelnde Wertschätzung und Gleichwertigkeit, ungewollte Kinderlosigkeit, zu große kulturelle oder religiöse Unterschiede. Wie unterschiedlich Trennung auch begründet wird, so steht am Ende die Aufgabe der Beziehung. 'Das Sterben einer Beziehung ist die erste Stufe in einem Prozess, in dem der Tod festgestellt, die Beziehung dann beweint und zu Grabe getragen wird, um der Selbsterneuerung den Weg zu bahnen' (Krantzler 1984, S. 23). Eine Trennung stößt die Betroffenen von den eingefahrenen Gleisen ihres bisherigen Lebens. Die neuen Lebensumstände zwingen sie heraus aus der täglichen Routine und verlangen neue Verhaltensweisen und Rollenveränderungen. Wie die Trennung verlaufen wird, hat etwas mit dem vorherigen Beziehungsstil, mit den Trennungsgründen, mit der Art und Weise, wie die Trennung passiert (mit Vorbereitungszeit oder aus heiterem Himmel), der psychischen Stabilität, den existenziellen Ängsten, der Fähigkeit zur Selbstverantwortlichkeit, den Selbstheilungskräften (Resilienz), dem Potenzial an persönlichen Ressourcen, den sozioökonomischen Bedingungen und den vorhandenen Unterstützungssystemen zu tun. Trennung und Scheidung sind demnach einschneidende Lebensereignisse für Paare, Eltern und deren Kinder - oft genug auch für die Großeltern. Fast jeder hat Verwandte oder Freunde, die geschieden sind. Auch ältere Paare scheuen heutzutage nicht mehr davor zurück, ihre Ehe zu beenden. Obwohl ein alltägliches Geschehen, löst die Ankündigung einer Scheidung immer noch hohe Betroffenheit aus, besonders dann, wenn minderjährige Kinder im ›Spiel‹ sind. Scheidung gilt statistisch gesehen als ein immer wahrscheinlicher werdendes biografisches Ereignis (life-event). Auch der Gesetzgeber reagierte bereits 1998 mit dem neuen Kindschaftsrecht auf die Zunahme der Scheidungen und die Veränderungen innerhalb von Gesellschaft und Familie. Eine bedeutsame Erneuerung im Kindschaftsrecht ist der Grundsatz, dass beide Eltern bei einer Scheidung sorgeberechtigt bleiben (§ 1687 BGB). Nur auf Antrag eines Elternteils entscheidet das Familiengericht, ob eine alleinige elterliche Sorge zum Wohl des Kindes ist (§ 1671 Abs.1 BGB). Das Gesetz macht deutlich, dass bei Trennung und Scheidung der Umgang mit beiden Elternteilen grundsätzlich zum Wohl des Kindes ist. 'Gleiches gilt für den Umgang mit Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist' (§ 1626 Abs. 3 BGB). Gemeint sind alle Bezugspersonen, die im Leben des Kindes bisher eine Rolle gespielt haben wie Geschwister, Großeltern, Pflegeeltern (§ 1685 BGB). Der Gesetzgeber hebt hervor, dass Kinder ein eigenes Recht auf Umgang mit jedem Elternteil haben. Vater und Mutter sind zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB). Während für die Eltern der Pflichtcharakter an die erste Stelle gerückt ist, gibt es für das Kind lediglich ein Recht, aber keine Pflicht zum Umgang mit dem getrennt lebenden Elternteil. Im § 1684 Abs. 2 BGB wird deutlich benannt, dass beide Eltern alles unterlassen sollen, was das Verhältnis zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil belastet oder was die Erziehung des Kindes erschwert. Diese kurze Ausführung zum Sorgerecht soll deutlich machen, wie auch der Gesetzgeber das Verbleiben der gemeinsamen elterlichen Verantwortung nach Trennung und Scheidung hervorhebt und bestehende Bindungen schützt. So wie frühere, in der Kernfamilie entstandene Bindungen und Beziehungen über die Trennung hinaus wirken, setzen sich häufig auch die ursprünglichen Konflikte des Paares auf der Elternebene fort. Eine misslingende Neudefinition der Beziehung zwischen den Eltern und eine als negativ erlebte Beziehung zum Vater sind besondere Risikofaktoren für Trennungskinder. So zeigen Kinder aus hochstrittigen Trennungsfamilien noch nach sechs Jahren Verhaltensauffälligkeiten (Schmidt-Denter 2001). Die überwiegende Zahl der Trennungseltern nimmt jedoch die gemeinsame Elternschaft verantwortungsvoll und kompetent wahr (Proksch 2003). Immer mehr Trennungseltern nutzen Beratungsangebote freier, kirchlicher und öffentlicher Träger, um sich im Sinne des § 17 KJHG Unterstützung zu holen. Gerade in der ersten Phase der Tr...
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