Falsche Freunde von Andreas/Tricoire Pecar - Taschenbuch

Falsche Freunde
War die Aufklärung wirklich die Geburtsstunde der Moderne?
ISBN/EAN:  9783593504742
Sprache: Deutsch
Umfang: 231 S., 9 Fotos
Einband: Paperback
Dass die Aufklärung die Gründungszeit der Moderne gewesen sei, wird immer wieder behauptet, so jüngst nach den Pariser Attentaten gegen 'Charlie Hebdo'. Doch stimmt das wirklich? Haben die Aufklärer unsere heutigen Vorstellungen von Demokratie und Toleranz, von Menschenrechten, von der Gleichheit zwischen den Geschlechtern oder zwischen den Völkern tatsächlich vertreten? Oder haben sie, wie prominente Aufklärungskritiker behaupten, den modernen Rassismus, Sexismus und Kolonialismus erfunden? 'Falsche Freunde' ist eine Streitschrift, die mit der gängigen Sicht aufräumt, wonach die Aufklärung die modernen westlichen Wertvorstellungen hervorgebracht habe. In sechs Kapiteln etwa zu den Toleranz-, Rasse- oder Geschlechterkonzeptionen illustrer Geistesgrößen bieten die beiden Autoren eine erfrischend neue Lektüre berühmter Schriften an. Sie zeigen, dass die Aufklärung des 18. Jh. uns viel fremder ist als wir gewöhnlich annehmen - aber auch viel überraschender.
Andreas Pecar ist Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Halle-Wittenberg. Damien Tricoire ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Der Historiker sollte nicht einen Menschen, einen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts von seinen Zeitgenossen isoliert betrachten - und sollte nicht unter dem Vorwand, dass diese oder jene Stelle seines Werkes einer unserer Weisen zu fühlen ähnelt, ihn eigenmächtig in eine der Schubladen stecken, die wir heutzutage benutzen, um diejenigen zu katalogisieren, die so wie wir oder anders als wir in religiösen Sachen denken. [.] [D]ie Frage ist, welche Vorsichtsmaßnahmen wir treffen, welcher Vorschrift wir folgen sollen, um die Sünde aller Sünden, die einzig unverzeihliche Sünde zu vermeiden: den Anachronismus. Lucien Fèbvre, Le Problème de l'incroyance au XVIe siècle Vorwort Dieses Buch ist ein wissenschaftlicher Essay - eine Gattung, die in Deutschland nicht zu den kanonischen der Geschichtsschreibung gehört. Unser Ziel ist es weder, eine weitere Allgemeindarstellung der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts zu liefern, noch den Blick auf die Vielfalt der Aufklärung oder auf weniger berühmte Autoren zu lenken. Falsche Freunde ist weder Handbuch noch Überblicksdarstellung, sondern eine engagierte Schrift, die aus einer Unzufriedenheit, ja einem Unbehagen erwachsen ist: einer Unzufriedenheit darüber, dass die Standards unseres Fachs - die Historisierung und die Kontextualisierung - allzu oft vergessen zu sein scheinen, wenn man über Aufklärung redet, und einem Unbehagen gegenüber der Tendenz der Geschichtswissenschaft, sich in den Dienst der Identitätsbildung zu stellen. Falsche Freunde ist auch ein Gemeinschaftswerk. Es ist aus Diskussionen erwachsen, die durch Veranstaltungen des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) in Halle wichtige Impulse erhielten. Insbesondere war die Gastprofessur von Jonathan Israel im Sommersemester 2012 für die Genese des Projekts von entscheidender Bedeutung. Wir möchten uns hier bei dem Direktor des IZEA Daniel Fulda sowie bei allen Aufklärungsforschern aus Halle bedanken, die an dem mitunter kontroversen Meinungsaustausch partizipiert oder sich wie Daria Sambuk und Marianne Taatz-Jacobi die Zeit genommen haben, das Manuskript zu lesen und zu kommentieren. Daniel Bussenius danken wir für seine Redaktionsarbeit. Vor allem hat sich Moritz Baumstark um die Verbesserung des Manuskripts verdient gemacht. Dank seinen profunden Kenntnissen der Aufklärungsforschung hat er uns wichtige Denkimpulse gegeben. Ebenfalls möchten wir unseren Studenten danken, mit denen wir in Seminaren und Vorlesungen die Textinterpretationen intensiv besprochen haben. An den einzelnen Kapiteln haben wir beide zusammengearbeitet. Nichtsdestotrotz war Andreas Pe?ar für die Entstehung der beiden ersten Kapitel hauptverantwortlich, während Damien Tricoire das Gros der Kapitel drei bis sechs geschrieben hat. Die Einleitung und der Epilog sind in ständigem Austausch gemeinsam verfasst worden. Wir hoffen, dass durch dieses enge Zusammenwirken ein kohärentes Buch entstanden ist, das eine klare Stoßrichtung hat: gegen den Anachronismus. Einleitung: Propheten der Moderne? Auf der Suche nach dem Ursprung der Moderne Wir befinden uns im Jahr 2440. Die Weltgeschichte hat ihr Ziel erreicht. Paris ist das Zentrum der nun vollständig aufgeklärten Welt. Auf dem Montmartre steht ein Heiligtum der Musen für die Mitglieder der Akademie, die in kleinen Häusern am Berghang in Einsamkeit arbeiten, mitunter aber zu gemeinsamen Sitzungen im Heiligtum zusammentreten, um sich dort gegenseitig aus ihren Schriften vorzulesen, dabei vor Entzückung aufzujauchzen oder vor Rührung zu weinen. Auch ein Tempel findet sich in der Nähe: eine "Residenz der Natur", in der wie in einer Wunderkammer die "große Kette der Wesen" zu besichtigen ist, die in einem wohlgeordneten hierarchischen Kontinuum vom Stein zu dem Menschen führt. Diese naturhistorische Sammlung haben die französischen Könige gestiftet, die um den "Ehrentitel eines vernünftigen Wesens" miteinander wetteiferten. Über dieses Paradies
Inhalt Vorwort 9 Einleitung: Propheten der Moderne? 11 Auf der Suche nach dem Ursprung der Moderne 11 Die Aufklärer und ihr Geltungsanspruch 27 Der Blick zurück nach vorn: Fortschritt und Aufklärung 37 Fortschritt und Genie 37 Innovation oder Traditionsstiftung? 45 Offene Zukunft? 46 Geschichte als Zivilisationsprozess 50 Für eine dritte Reformation: Die Religions- und Toleranzdebatte 63 Vernunftreligion oder religiöse Toleranz? 63 Ein Pluralismus der Bekenntnisse? 67 Materialismus und religiöse Toleranz 78 "Ad maiorem Dei gloriam": Rassentheorien der Aufklärer 83 Von Sklaven und Affen: Rassentheorien in der Plantagenkolonie 87 Rassentheorien und vormoderne Weltbilder 91 Aufklärerische Scholastik 101 Die Befreiung der Weißen: Der Abolitionismus 105 Menschen- oder Bürgerrechte? 110 Die göttliche Strafe abwenden 113 Frankreich ist keine Despotie: Sklavereikritik ohne Abolitionismus 116 Natur, Moral und Nutzen: Die Geburt des aufklärerischen Abolitionismus 121 Sklaven für sklavenlose Kolonien: Abolitionismus und imperiale Bestrebungen 125 Die patriotische Geschichte beider Indien: Auf der Suche nach neuen Kolonien 129 Der philosophe und die glücklichen Tiere 130 Schwarze Legende, weiße Legenden 134 Patrioten in Übersee 138 Von Ministern und philosophes: Die Erziehung zur patriotischen Tugend 144 Antikoloniale Passagen? 146 Und (nebenbei) schuf der Mann das Weib: Frauenbilder 153 Naturalisierung und klassischer Republikanismus 157 Gab es eine "querelle des femmes"? 160 Bürger zweiter Klasse 167 Epilog: Die Cacouacs am Versailler Hof oder Was war Aufklärung? 173 Anmerkungen 183 Quellen- und Literaturverzeichnis 211 Quellen 211 Forschungsliteratur 214
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