Nein, es ist kein Verschreiber, der Titel des Buches heißt wirklich "Der Löwe büllt", denn dieser Ausspruch ist der Kern der Anekdote, mit der Mutter Rosi ihren 47-jährigen Sohn im Fuerteventura-Urlaub am 8er-Tisch eines Ferienclubs blamiert. Wer kennt sie nicht, diese Mütter, die so gerne lustige Geschichten über ihre Kinder erzählen, die dann aber gar nicht mehr witzig sind (vor allem für denjenigen), wenn das "Kind" schon längst erwachsen ist. Eigentlich wollte der Protagonist auch gar nicht mit seiner Mutter in den Urlaub fliegen, sondern mit seiner Frau Mia, aber die ist auf Fortbildung mit einem Esoteriker, der sich ganz offensichtlich an sie ranmacht. Und eigentlich ist es auch gar kein richtiger Urlaub. Denn Nico hatte in seinem Controlling-Job bei Toyota immer wieder Wutanfälle und soll nun während einer Woche auf den Kanaren einen Fitnesstracker tragen, der live vom Chef überwacht wird. So soll der Mittvierziger nachweisen, dass sein Ruhepuls konstant niedrig bleibt und er darf nebenbei noch eine Auto-Präsentation abhalten. Als Alternative wurde ihm nur die Kündigung in Aussicht gestellt. Nicos Urlaubsbegleitung und Mutter Rosi ist mit 74 eine ziemlich rüstige Rentnerin, die alle auf Trab hält und die früher öfter mit ihrem Mann Georg in selbigem Club-Hotel den jährlichen Urlaub verbrachte. Georg ist vor einem Jahr gestorben, als er mit dem Auto in die Waschstraße fuhr, wohin Rosi ihn geschickt hatte, damit sie mal in Ruhe im Haus staubsaugen kann.
Im Mittelpunkt des Romans steht die Vorgabe, dass Nico den Urlaub zur Erholung nutzen und seinen Stress reduzieren soll. Dass das kaum möglich ist, mit einer Mutter, die jede Clubaktivität mitmachen und so viel Zeit wie möglich mit ihrem Sohn verbingen will, während man von einem Fitnesstracker überwacht wird, ist klar. Während des Urlaubs blickt der Ich-Erzähler immer wieder in die Verangenheit und so werden nach und nach Erlebnisse mit seiner Ehefrau bis hin zum Tod seines Vaters aufgearbeitet. Natürlich, die Figuren des Romans sind alle gnadenlos überzeichnet und erfüllen alle gängigen Klischees, wie das des schwulen türkischen Animateurs, aber für mich bot der Roman eine äußerst kurzweilige und unterhaltsame Lektüre. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine Frau kenne, die Patin für Rosis Figur hätte stehen können, vielleicht liegt es aber auch daran, dass es hinter all der Komik auch um Frust, Wut, den Tod und das Erwachsenwerden geht und darum, wie man lernt, Stressoren in dieser Leistungsgesellschaft auszuschalten und wie man es eigentlich schafft, es mit sich selbst auszuhalten.
Ein Buch für alle, die Mütter kennen, die Küchenrolle in den Koffer packen, wenn Sie Club-Urlaub machen und die sich im Urlaub über diejenigen amüsieren, die um 7 Uhr das Handtuch auf die Poolliege legen.
Titel: Der Löwe büllt
Autor: Jaud, Tommy
Datum der Veröffentlichung: 30.04.2019
Verlag: S. Fischer Verlag
Sprache: Deutsch
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
ISBN: 9783651025585
Rezensent: Maria Holzapfel
Bewertungsergebnis: 
(5/5)
Datum der Bewertung: 13.01.2021
