Brit Bennett: Die verschwindende Hälfte

"Racial Passing" ist Thema dieses Romans: ein sehr amerikanisches Thema, über das schon viele Romane geschrieben wurden. Die Besonderheit hier ist zum einen, dass es sich um die Geschichte von Zwillingsschwestern handelt, zum anderen, dass nicht die „Entlarvung“ das Thema ist, sondern vielmehr das „Gelingen“ des „für weiß Durchgehens“. Die Schwestern wachsen in Mallard auf, einer Ansiedlung Farbiger mit heller Haut. Als Kinder werden sie Zeuginnen als weiße Rassisten ihren Vater lynchen.

Mit 17 Jahren verlassen die lebhafte Desiree und die eher stille Stella gemeinsam diesen Ort. Eine der Schwestern legt schließlich ihre Identität und Herkunft ab und heiratet einen wohlhabenden Weißen, die andere kehrt Jahre später nach Mallard zurück - mit einer Tochter, deren "blauschwarze" Haut sie in diesem Ort zur Außenseiterin macht.

Die Geschichte setzt 1968 ein und umfasst 20 Jahre, immer wieder unterbrochen durch Rückblenden. Die Themen Verlust, Brüche im Lebenslauf, Erschaffen der eigenen Identität, Transformation und auch Trauer finden sich in vielen Variationen in diesem kunstvoll erzählten Roman wieder. Die auktoriale Erzählweise gibt zwar den Figuren oft wenig Raum für Eigenleben, es gelingt ihr aber Stimmungen und Orte heraufzubeschwören, dass man meinen könnte, man sei schon dagewesen.

Alles in allem ein sehr gelungener Roman, den man nicht leicht aus der Hand legt und eine eindeutige Leseempfehlung.


Titel: Die verschwindende Hälfte
Autor: Brit Bennett
Datum der Veröffentlichung: 15.09.2020
Verlag: Rowohlt
Sprache: Deutsch
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
ISBN: 9783498001599
Rezensent: Sonja Segerer
Bewertungsergebnis: 4sterne.png (4/5)
Datum der Bewertung: 29.03.21