John Lanchester: Die Mauer

Fast prophetisch mutet Die Mauer von John Lanchester an, der beim Schreiben des Romans weder an den Brexit noch an die Mauer Donald Trumps an der mexikanischen Grenze gedacht hat.

„Es ist kalt auf der Mauer“ in der Zeit nach dem Wandel, in der alle jungen Briten Großbritannien in einer Art Wehrpflicht auf der Mauer, die an der gesamten Küste errichtet worden ist, verteidigen müssen gegen die Anderen, die immer wieder versuchen über das Meer ins Land zu kommen. Der Roman ist unglaublich düster und vor allem in der ersten Hälfte teilweise redundant und ohne viel äußere Handlung – fast so wie die Wachdienste auf der Mauer. Mit monotoner Prosa nimmt der Erzähler die Eintönigkeit des Lebens von Joseph Kavanagh als Wächter auf. Literarisch finde ich diese Passagen die gelungensten des Romans. Ebenso wie die Handlung nimmt im weiteren Verlauf auch die Erzählweise immer mehr Fahrt auf und zieht den Leser wie in einem Sog mit.

Der Roman stellt die großen Fragen unserer Zeit:
* nach dem Verhältnis der Generationen - denen, die den Klimawandel maßgeblich mit verursacht haben und denen, die nun die Folgen tragen müssen
* nach dem Elend der Migranten, die bereit sind, alle Opfer zu bringen für eine noch so geringe Hoffnung auf Überleben
* nach Menschlichkeit in einer Welt, in der das eigene Leben nur möglich ist auf Kosten des Lebens der Anderen

Nicht zu Unrecht wurde der Vergleich zu Orwells 1984 gezogen. 

Titel: Die Mauer
Autor: Lanchester, John
Datum der Veröffentlichung: 21.01.2019
Verlag: Klett-Cotta
Sprache: Deutsch
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
ISBN: 9783608963915
Rezensent: Sonja Segerer
Bewertungsergebnis:  (5/5)
Datum der Bewertung: 28.7.2021