Harald Jähner | Höhenrausch

1918 bringt Deutschland das Ende des Ersten Weltkriegs, die Revolution, den Sieg der Demokratie. Zugleich beginnt ein Siegeszug befreiter Lebensweisen. Nicht nur die Inflation bringt das Leben ins Wanken: Alles soll von Grund auf neu und anders werden. Als es Mitte der Zwanziger auch wirtschaftlich aufwärtsgeht, wird Deutschland ein modernes, ein anderes Land. Jähner erzählt facettenreich und elegant von der Erfindung der Freizeit, von Boxhallen und Tanzpalästen, und von den Hotspots der Neuen Zeit, vom Büro und Großstadtverkehr, vom Warenhaus als Glücksversprechen oder der Straße als Ort erbitterter Kämpfe. So vieles wirkt heute verblüffend modern. Das wirkte befreiend, brachte aber auch die Angst vor dem nihilistischen Selbstverlust hervor. Viele Deutsche fanden sich im Aufbruch nicht wieder. »Höhenrausch« präsentiert eine Gesamtschau dieser so pulsierenden, reichen Zeit und zeichnet das Bild eines zerrissenen Landes voller Energie und voller Konflikte. Er legt aber auch dar, dass das Ende 1933 keineswegs aus dem Nichts über die Deutschen kam.

_leseprobe

Dieses Buch erzählt von Gefühlen, Stimmungen und Empfindungen als Aggregaten politischer Haltungen und Konfliktlagen. Von schwankenden Phänomenen wie Unbehagen, Zuversicht, Angst, Überdruss, Selbstvertrauen, Konsumlust, Tanzlust, Erfahrungshunger, Stolz und Hass. Wie fühlte man sich in der Weimarer Republik? Das ist natürlich pauschal gar nicht zu beantworten. Aber die Frage ist, in der Pluralität der verschiedenen und widersprüchlichen Sichtweisen, die entscheidende. Wie fühlte es sich an, jung zu sein, Frau zu sein, Großstädter oder Bauer? Wie fühlten sich die Freikorpskämpfer 1918, die nicht einsahen, dass der Krieg zu Ende sein sollte? Was fühlten die Revolutionäre? Woher kam der verbreitete Hass gegen den weichen Plüsch, gegen Verzierungen und Ornamente? Wie sahen die jungen Frauen ihre Zukunft, als die Inflation ihre Mitgift vernichtete und sie dafür in Scharen etwas fundamental Neues bekamen, nämlich eine Angestelltentätigkeit? Wie fühlten sich die Menschen, als die Großstädte wuchsen und wuchsen und niemand wusste, […] ob sie je damit aufhören würden?

Quelle: Dieser Buchtipp stammt aus unserem SEKO Newsletter 41/22 mit Buch- und Rundfunktipps für literarisch Interessierte und Neuigkeiten rund um SEKO. Zur Anmeldung geht es hier.