Israel. Was geht mich das an?

Harry Bergmann, Wolf Biermann, Jaron Engelmayer, Mirna Funk, Peter Huemer, Charles Lewinsky, Ahmad Mansour, Doron Rabinovici, Julya Rabinowich, Esther Schapira, Robert Schindel, Ben Segenreich, Joshua Sobol, Danielle Spera und Christian Ultsch — all diese Autoren und Autorinnen sind kraftvolle, wichtige Stimmen der jüdischen Literatur. Den beiden Herausgebern ist es gelungen, die ganze Bandbreite jüdischer Befindlichkeit und Reflexion zu Wort kommen zu lassen und so ein einzigartiges Kaleidoskop zu erschaffen, dass ein Israel zeigt, das uns alle angeht.

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Mirna Funk — Laute Liebe
Ich stieg aus der ELAL-Maschine. Heißer Wind schlug mir entgegen. Kaum atmenkonnte ich. So drückend, so dumpf, so unendlich stickig war die Luft. Ich hielt micham Geländer fest, tapste aufgeregt und unsicher die Treppen herunter. Ein Blick zurück. Da stand er, mein Vater. Ein Lächeln auf seinem Gesicht. Das ist also Israel.Das ist Tel Aviv. Mein erster Flug. Mein erster Urlaub mit einem Mann, den ich seitJahren nicht gesehen hatte, weil er 1988 entschieden hatte, die DDR illegal zu verlassen. Direkt nach seiner Flucht hatte er sich auf den Weg nach Israel gemacht. Jetzt waren wir zusammen hier. Er und ich und unsere Wurzeln. Nun war ich dran. Nämlich damit, mir einen Teil meiner Biografie näherzubringen. Vielleicht zu verstehen,wer ich bin und zu wem ich eines Tages werden würde. Ein schwerer Koffer, der mirda qua meiner Geburt in die Hand gedrückt wurde. Ein schwerer Koffer, den ich erstin den letzten zwanzig Jahren lernte langsam auszupacken. Stück für Stück. Hose fürHose. Jacke für Jacke. Pullover für Pullover. Brief für Brief. Wahrheit für Wahrheit.Lüge für Lüge.