Heiter, aber nicht harmlos erzählt Shelby Van Pelt im Gewand eines »Wohlfühlromans« die Geschichte der um die siebzigjährigen Witwe Tova Sullivan, die jeden Tag an der Tragödie ihres Lebens leidet und doch nie ihren Lebensmut verliert. Vielleicht ist es diese spezielle Tapferkeit, die sie mit Marcellus, dem enorm klugen Octopus verbindet. Täglich begegnen sie sich in dem Aquarium, in dem sie putzt und er lebt. Auf verschlungenen Wegen finden nicht nur Tova und Marcellus am Ende einen Weg, ihren Frieden mit den Unwägbarkeiten und Unabänderlichkeiten ihres Lebens zu machen. Das ist klug erzählt und wärmt das Herz, das ist der perfekte Herbstroman.
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1299. TAG IN GEFANGENSCHAFT
Dunkelheit kommt mir gelegen. Jeden Abend warte ich auf das Löschen der Deckenbeleuchtung. Danach spendet nur noch das große Becken Licht. Nicht perfekt, aber fast. Nahezu vollständige Dunkelheit, wie am Meeresgrund. Dort habe ich gelebt, bevor ich gefangen und eingesperrt wurde. Ich weiß nicht mehr viel davon, doch bis heute spüre ich die ungezähmten Strömungen des kalten, offenen Wassers. Ich habe die Dunkelheit im Blut. Wer ich bin? Ich heiße Marcellus, aber so nennen mich nur wenige. Meistens sagen die Leute »der da«. Zum Beispiel: »Guck dir den mal an!«, »Da ist er!« oder »Da, hinter dem Stein sieht man einen Fangarm!« Ich bin ein Pazifischer Riesenkrake. So steht es auf dem Schild neben meinem Becken. Ich weiß, welcher Einwand jetzt kommt. Ja, ich kann lesen. Ich kann vieles, womit niemand rechnen würde. Auf dem Schild sind einige Fakten aufgeführt: meine Größe, meine acht Arme, meine bevorzugte Nahrung und wo ich leben würde, wenn ich nicht hier gefangen wäre. Meine intellektuellen Fähigkeiten und meine Geschicklichkeit werden erwähnt, offenbar überraschende Eigenschaften: »Kraken sind erstaunlich kluge Geschöpfe«, steht da.
Quelle: Dieser Buchtipp stammt aus unserem SEKO Newsletter KW 41/2022 mit Buch- und Rundfunktipps für literarisch Interessierte und Neuigkeiten rund um SEKO. Zur Anmeldung geht es hier.
eBook - Roman. - »Ein liebevoller Wohlfühlroman, der im Kopf bleibt.« Washington Post
