Lynn Cullen | Die Formel der Hoffnung

Poliomyelitis ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, die hauptsächlich Kinder unter fünf Jahren befällt, die bis heute nicht geheilt werden kann, die bei rund einem Drittel der infizierten Symptome bis zum Tod auslöst. Dass in den 1950er Jahren eine Impfstoff hat entwickel werden können, ist der Beharrlichkeit und dem Einfallsreichtum zahlreicher Wissenschaftler zu danken. Eine davon war Dr. Dorothy M. Horstmann (1911—2001). Horstmann verfolgte und bestätigte als erste nach jahrelanger hartnäckiger Forschung die Hypothese, dass das Virus über den Mund in den Darm wandert und von dort aus in das Zentrale Nervensystem gelangt. Über Jahre und Jahre zog sich die Forschung hin, an deren Ende die Schluckimpfung stand, an die sich so manche noch aus eigener Erfahrung erinnern können. Dabei zeigt die Autorin ein aussergewöhnliches Gespür für die ›gemischten‹ Motivationen und Gefühle der Wissenschaftler, spart auch den Trübsinn der Kriegsjahre und ihre Folgen nicht aus. So errichtet Lynn Cullen der bedeutenden Wissenschaftlerin und Ärztin ein einfühlsames, herzliches und historisch akribisch aufgearbeitetes literarisches Denkmal.

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»Ist es wirklich wichtig, wie das Poliovirus ins Nervensystem gelangt? Was zählt, ist, wie wir es behandeln, sobald es da ist.«
Dorothy schaute über den Rand ihrer eigenen Tasse. Es machte eine Menge aus. Um Polio zu besiegen, musste man das Virus im Körper außer Gefecht setzen, bevor es das Nervensystem angriff. Dabei würde es außerordentlich helfen, wenn man wüsste, wo im Körper man es am besten angreifen konnte. Wieso leuchtete ihm das nicht sofort ein? »Wie auch immer, es tut mir leid, dass Sie die Vorstellung verpasst haben, Dot, aber danke, dass Sie die Mutter zur Vernunft gebracht haben. Wenn Sie sie nicht festgehalten hätten, bis diese beiden Pfeifen fertig waren, wäre die Vorstellung ausgefallen.« Ihr kochte das Blut in den Adern. »Ich habe weder versucht, sie zu überreden, noch habe ich sie festgehalten. Es war ihre Entscheidung, uns ihren Sohn zu überlassen. Sie wollte ihren Beitrag zur Forschung leisten.« Er legte den Kopf in den Nacken, um seine Tasse bis auf den letzten Tropfen zu leeren. »Danke jedenfalls, dass Sie sich geopfert haben. Das war sehr anständig von Ihnen.« Sah er denn nicht, was für ein Opfer diese Frau gebracht hatte? Sie wollte gerade erwidern, dass ihr Einsatz überhaupt nichts mit Anstand zu tun hatte, als Albert Sabin das Diner betrat.

Quelle: Dieser Buchtipp stammt aus unserem SEKO Newsletter KW 42/2023 mit Buch- und Rundfunktipps für literarisch Interessierte und Neuigkeiten rund um SEKO. Zur Anmeldung geht es hier.

Die Formel der Hoffnung
Roman, Gelesen von: Andrea Sawatzki, Gekürzte Lesung, 2 MP3-CD2s, Argon Hörbuch
ISBN/EAN: 9783839820889

Die Formel der Hoffnung
eBook - Ein spannender Roman nach der wahren Geschichte einer herausragenden Ärztin
ISBN/EAN: 9783104917825